May 02, 2008

spheric lounge - live ambient music - session 89

session 89 - 17.05.2008 - pictures - mp3s: digesting a frog, hanganom , sprinkling starrys sky, susurrant sine, pings & steps, - team: okaliin, chris werner, florian anwander, enzo cage - guests: isabelle künstler & little leo - postproduction: okaliin - pictures: enzo cage - location: okaliin studio

Wir haben mit neuen Methoden experimentiert und sind dabei auf etwas Spannendes gestoßen. Die Einschwingphase. Wir waren nur zu viert, was die Abstimmung während der Session deutlich vereinfacht und auch intensiviert hat. Wir haben uns noch nie so intensiv abgestimmt, wie während dieser Session. Statt es wieder frei laufen zu lassen, haben wir Titel für Titel separat ( mit Pausen ) aufgenommen und mehrere Overdubs gemacht. Die Titel der Session 89 bestehen also aus jeweils zwei bis drei Layern, die wir hintereinander und übereinander aufgenommen haben. Beim Startlayer wurde bewußt Raum für später gelassen. Die folgenden Layer hatten dann eher ergänzenden Charakter, da das Startlayer den Charakter des Stücks schon weitgehend bestimmte. Aber noch mehr Auswirkung als diese Overdub-Technik, hatte die Einschwingphase bevor die Aufnahme des ersten Layers gestartet wurde. Zu Beginn wurde jeweils ein Grundgerüst ( z.B. Pattern, Sequenz oder Thema ) laufen gelassen, relativ zu dem dann jeder für sich etwas entworfen hatte. Alle tasteten sich somit gleichzeitig in den kommenden Titel hinein. Für diese Phase ließen wir uns gewöhnlich etwa 5-10 Minuten Zeit - es endete einfach wenn alle ein passendes Instrument gefunden oder gebastelt hatten. Dann kam noch eine kurze Vorstellungsrunde, in der jeder sein Instrument separat vorstellte. Anschließend wurde noch der Verlauf ( Dramaturgie ) des kommenden Titels skizziert, und besprochen womit begonnen werden würde und womit man enden würde ect.. All diese Abstimmungen fanden in einem entspannten Klima des Annehmens statt, wobei alle aktiv mitgestalteten und ihre Meinungen und Bedürfnisse einbrachten. Praktisch alle Vorschläge wurden gelassen angenommen und umgesetzt, wobei es auch Phasen gab, in denen wir gemeinsam um klangliche Lösungen gerungen hatten. Ich unterstreiche das hier, weil ich glaube, dass die kommunikativen Rahmenbedingungen während der Session einen enormen Einfluss auf das Ergebnis haben und dass diese oft technischen, oder methodischen Vorgaben untergeordnet werden. Wir wollten es alle gut machen, das konnte man spüren, aber die akuten Entscheidungen waren weniger wichtig, als die Gesamtstimmung und der gegenseitige Respekt. Was auch half, war die völlige Abwesenheit von Zeitdruck - zwischendurch hatten wir uns ausgiebig unterhalten - und nachdem es schon nach Aufbruch roch, zog uns Florian nochmal mit einem tollen neuen Grundgerüßt-Pattern zurück an die Rechner. Der Genuss am Musizieren blieb zu jedem Zeitpunkt der bestimmende Faktor. Aus dieser Session habe ich einiges gelernt: Die zeitliche Trennung von Improvisation und Instrumentensuche bringt eine zeitliche Synchronisierung der Phasen hoher Konzentration der Spieler mit sich. Die Aufmerksamkeit der Spieler wechselt klar zwischen nach_innen_gerichtet und nach_aussen_gerichtet. Das verringert nicht nur Unfälle, sondern bringt spürbar mehr Spannung in den Improvisationsprozeß, die in den Spielpausen wieder Abfällt. Diese gemeinsame Schwingung tut der Gruppenimprovisation sehr gut. Man sollte meinen, dass währen der freien Improvisation alles Suchen nach neuen Instrumenten immer relativ zum aktuellen Geschehen passiert. Tatsächlich passiert es mir aber häufig, dass ich unter dem Kopfhörer in meiner eigenen Welt versinke und der Kontakt nach aussen abreisst und ich denke da geht es den meissten ähnlich. Erst die Einschwingphase hat mir gezeigt, was relative Instrumentensuche bedeutet. Erst wenn alle wissen und erwarten, das alle relativ zu einem Grundgerüßt auf Klangsuche gehen, sucht jeder bewußt eine individuelle Rolle und das mit der Aussicht, dass die anderen abwarten, bis man diese Suche abgeschlossen haben wird. Automatisch sucht jeder seine Rolle und findet seinen Platz im Klangspektrum. Und ohne sich sprachlich koordinieren zu müssen, verteilen sich die Rollen ( Fläche, Bass, Melodie, Arp, FX, Perc, ect…) wie von selbst. In Erwartung der anschließenden Vorstellungsrunde gibt man sich automatisch Mühe etwas Interessantes beizusteuern. Die entstehende Transparenz vertreibt Beliebigkeit und schafft Verbindlichkeit. Jeder weiss, dass alle wissen wer was spielt. Die Anonymität in grossen Gruppen im Endlosflow begünstigt dagegen das leichtfertig-, flüchtige einwerfen von Unpassendem, da man auch keinerlei Rechtfertigung fürchten muss. Dieser Rahmen ( Einschwingphase & Vorstellungsrunde ) fördert eine Stimmigkeit, die sich sonst eher sporadisch währen der freien Improvisation einstellt und dann schwer zu halten und noch schwerer zu variieren ist. Auch das Abschalten der Aufnahme während der Einschwingphase macht für mich Sinn, weil man entspannter wild herum experimentiert, bis man fündig wird. Der Moment der zählt wird dadurch etwas eingegrenzt, was es erleichtert die über viele Stunden knappe Konzentration effektiver zu dosieren. In der Einschwingphase ist es wichtig, das diejenigen, die etwas gefunden haben, dieses kontinuierlich spielen (auch wenn das irgendwann monoton wird), so dass die anderen relativ dazu weiter suchen können, aber auch, dass man nicht wild für alle hörbar seine Presets durch zappt. Grundsätzlich reicht das Bedürfnis, die anderen nicht stören zu wollen und sich gleichzeitig in die Karten gucken zu lassen - ohne sich auf zu drängen. Auch nur so wenig Raum wie nötig einzunehmen ist so ein Grundprinzip. Auch das signalisieren, das man ansprechbar ist hilft. So macht man es den anderen leichter Veränderungsvorschläge zu machen, die das Gesamtbild verbessern können. Wenn jeder vom Potential seiner Mitspieler profitieren möchte, statt sich gegen Sie durchzusetzen, entfalten sich die Synergien wie von selbst. Das funktioniert aber nur, wenn man auch Misserfolge gelassen hinnimmt. Auch nachfragende Kommentare, wie „Leute hier fehlt einfach noch ein Bass!“ können sehr wertvoll sein. Wenn es mit der entpannten Grundstimmung wärend der Session nicht so recht klappen will, kann das am fehlenden Konsens liegen – „Was wollen wir hier überhaupt?“ Wenn dieser Kosens in einer kreativen Gruppe zu schwach ist, entsteht immer wieder Reibung, die sehr schnell frustrieren kann. Konsens unmittelbar erzwingen zu wollen, geht meisstens in die Hose. Wer etwas will muss einfach diejenigen zusammen bringen die das gleiche wollen. Erreicht man dann in dieser Teilgruppe das angestrebte, kann man mit dem erzielten Erfolg viel entspannter an die Kompromissbereitschaft anderer appelieren und so schrittweise den Konsens der Gruppe steigern.

5 comments:

Anonymous said...

Wow, Enzo. Du hast Dir ja mal wieder viel Arbeit gemacht: Alle Session-Blog-Einträge haben nun eine schöne Grafik oder Foto. Sehr schön!

Ian J Cottee said...

Great music ... eagerly awaiting MP3's

Okaliin said...

Hier sind die download-links für die 89 Session.
Viel Spass damit
Gruss Okaliin - Nikolai

http://nikolais.net/Digesting_a_Frog.mp3
http://nikolais.net/Susurrant_Sine.mp3
http://nikolais.net/Sprinkling_Starry_Sky.mp3
http://nikolais.net/Pings&Steps.mp3
http://nikolais.net/Hanganom.mp3

kunst4life said...

wunderschöne stücke - und wiedermal ein geniale herangehensweise :-)

Anonymous said...

Listening, watching and dancing was an intense experience of feeling it all combined, without wanting anymore.
It was just how evenings should stay.